05.10.2017

DIETER THOMAS KUHN: SÜSSES LEBEN IN LIEDFORM

Seit fast 20 Jahren beglückt er seine Fans - und wird es auch am 25. August in der Waldbühne wieder tun: Die singende Föhnwelle Dieter Thomas Kuhn über den richtigen Gestus, Massagen für Musiker und seinen nächsten Auftritt in Berlin.

Im Museum seiner Heimatstadt Tübingen gab es vor zwölf Jahren eine Ausstellung, die den Titel „Danke Föhn“ trug. Dieter Thomas Kuhn, der auf den Ehrennamen „Die singende Föhnwelle“ hört, hatte es in die Museumskultur geschafft. Weil er im Zuge des Schlager-Revivals der 90er Jahre seinen Konkurrenten Guildo Horn überholte, und weil er den deutschen Schlager mit augenzwinkernder Verbeugung von der Schleimspur befreite. Und er war geschafft vom ständigen Unterwegssein. 1999 gab er sein Abschiedskonzert. Fünf Jahre und unzählige Fan-Aufrufe später, brach eine Lawine los, die bis heute durchs Land rollt. Alle wollen Kuhn und seine Band sehen, die „gesungenen Zärtlichkeiten“ hören und ein bisschen Frieden spüren. Im Rahmen seiner „Hier ist das Leben“-Tour will der 47-Jährige am 25. August auch die Waldbühne in zärtliches Gefühl einhüllen.

Können Sie Ihren ungebrochenen Erfolg erklären, Herr Kuhn?

Meine Musiker und ich können kaum glauben, dass es Dieter Thomas Kuhn inzwischen seit fast 20 Jahren gibt. Wir haben aber das Gefühl, dass er eine Art Marke geworden ist, die für viele zum Leben dazugehört. Wie Nutella auf den Frühstückstisch gehört, scheint der Kuhn für viele Leute auf Konzertbühnen zu gehören.

Ein passender Vergleich.

Ja, vielleicht will der Kuhn gerne die Süße des Lebens in Liedform aufrechthalten.

Sie reden von Dieter Thomas Kuhn gerne in der dritten Person. Sperren Sie ihn nach einer Tournee auch gerne mal weg?

Manchmal möchte ich ihn gerne wegsperren, aber er klebt viel zu stark an meiner Person, als dass ich ihn lange loswürde. Auch wenn ich ohne seine Frisur herumlaufe, bin ich für Leute, die mir begegnen, die Bühnenfigur Dieter Thomas Kuhn.

Wie ist das Leben mit der Bühnenfigur?

Es ist herrlich. Ich verdanke dieser ehemaligen Kunstfigur, die mir längst in Fleisch und Blut überging, die schönste Zeit meines Lebens. Seit 20 Jahren beschert sie mir ein Leben, von dem ich vorher nicht zu träumen wagte.

Was haben Sie gelernt, bevor Sie zum Dieter Thomas wurden?

Ich habe Masseur gelernt, arbeitete am Tübinger Klinikum und hatte meistens einen ganz normalen Alltag. Abends sang ich manchmal im Chor der Band eines Italieners, der sich nach zwei Auftritten aus dem Staub machte. Übrig blieben die Band und ich. Der Gitarrist bat mich, als Sänger weiterzumachen. Der Rest ist, wie man so schön sagt, Geschichte.

Massagen sind Wohltaten für den Körper. Kann Musik auch Spannungen lösen?

Ich sah die Parallelen damals nicht, aber beides liegt sicher nahe beieinander. Schon als ich in meiner Schulzeit in Altenheimen arbeitete, entdeckte ich meine soziale Ader. Ich möchte anderen Menschen gerne etwas geben oder vermitteln, das ihnen gut tut. Als Dieter Thomas Kuhn habe ich das Gefühl, etwas Gutes zu tun. Natürlich muss man dafür zahlen, wenn man ihn sehen will. Aber eine Massage bekommt man auch nicht umsonst.

Massieren Sie Ihre Musiker auch?

Na klar, wenn einer meiner Musiker eine Massage braucht, legt der Chef schon mal selbst Hand an.

Im neuen Programm „Hier ist das Leben“ legen Sie erstmals Hand an die Disco-Ära der 70er, die Bee Gees, die Rosenberg. Ist der Fundus für das wandelnde Klischee Kuhn endlos?

Nein, endlos ist er nicht, weil sich gar nicht wenige Songs der Disco-Ära gar nicht adäquat ins Deutsche übersetzen lassen, was eine meiner Maximen ist. Ich singe keine Lieder auf Englisch.

Aber die Populärmusik-Kultur der Bonner Republik, die ihre Spielwiese ist, kannte ja nicht nur „Hossa!“.

Stimmt, aber es kannte kaum jemand die deutschen Versionen der englischen Disco-Hits. Es gab „Night Fever“ in einer deutschen Version, die aber so schlecht war, dass sich keiner dafür interessierte.

Durch Kuhn wird sie jetzt erträglich?

Vieles war in den 70er-Jahren so wenig nachvollziehbar, dass man es 35 Jahre später ruhig aufgreifen kann, wenn man es mit dem richtigen Gestus versieht.

Brauchen Sie große Bühnen zur Entfaltung Ihres Gestus?

Unsere Konzerte sind große Gemeinschaftserlebnisse und dafür braucht man entsprechend Platz. Aber ich brauche nicht zwangsläufig eine große Bühne. Ohne die große Geste könnte Dieter Thomas Kuhn aber schlecht älter werden.

Lässt es sich gut älter werden mit Kuhn?

Ja, es fühlt sich gut an, weil er ja vor dem zunehmenden Alter nicht haltmachen würde. Der Vorteil der Figur liegt in ihrer Zeitlosigkeit begründet. Mit 26 konnte ich mir nicht vorstellen, dass ich mit 47 Jahren noch auf der Bühne stehen darf. Eine Figur, die aus einer Kunstidee entsteht, ist nicht an Trends oder Moden gebunden. Sie kann auftauchen wann sie will und wie sie will.

War die Figur Kuhn gar kein durchdachtes Konstrukt?

Nein, das war sie nicht. Vieles, was man mittlerweile mit ihm verbindet, entstammt spontanen Ideen. Es gibt in der Geschichte von Kuhn und seiner Band nichts, was irgendwie geplant war. Weder der Erfolg noch die Figur selbst. Sie war plötzlich da und wuchs aus dem Bauch heraus Tag für Tag und Jahr für Jahr zu dem, was sie jetzt ist. Kuhn ist ein spontanes Gewächs und vielleicht macht es deshalb immer noch Spaß, mit ihm zu spielen.

Konnten Sie sich die Spontaneität über die Jahre auch auf der Bühne bewahren?

Es gibt bewährte Gesten, die ich fortführe, aber normalerweise findet von Stadt zu Stadt immer wieder ein anderes, spontanes Programm statt. Zwar fährt man mit einem festgelegten Programm sehr gut, aber als guter Unterhalter spürt man binnen von Sekunden nach dem Erklimmen der Bühne, wie das jeweilige Publikum tickt. Entsprechend spontan fallen dann meine Ansagen und Geschichten aus.

Gibt es einen Mehrwert in Ihrem Programm, der über den reinen Unterhaltungswert hinaus geht?

Ich glaube schon, weil ich in den Gesichtern unserer Zuhörer oft ein Lächeln bis hin zur tatsächlichen Freude feststelle. Sicher findet man keine vordergründig politischen Botschaften. Aber unsere Musik heißt Leute willkommen. Wir schließen niemanden aus, und ich glaube, dass der umarmende Faktor unserer Musik einen Mehrwert für viele hat.

Damit ist Ihre Musik ja dann eigentlich doch schon wieder politisch.

Sie zitiert ja auch die 70er Jahre, als Musik einen unglaublich hohen gesellschaftlichen Stellenwert besaß. Man kam zur Musik zusammen. Wenn ich mir heute Lady Gaga anhöre, spüre ich zum Einen Madonna-Plagiate und zum Anderen verfügt diese Musik nicht mehr über den umarmenden Charakter.

Fehlt ihr die Liebe?

Ja, in meinen Augen ganz sicher. Aber ich kann verkünden, dass es Kuhn und seine Band gibt, die demnächst die Waldbühne mit Zärtlichkeit und dem zärtlichen Gefühl einhüllen werden. Humor kann nämlich auch eine Form von Liebe sein.